Starke Einfälle

Das Ende und die Wende einer Busfahrt

| Keine Kommentare

Der Freitagmorgen startete eigentlich wie jeder andere mit seinen geordneten Abläufen. Nichts deutete auch nur im Mindesten daraufhin, dass dieser Tag heute ein außergewöhnliches Ereignis in sich barg.

Bereits seit Jahren fuhr ich von meinem Wohnort aus immer mit derselben Buslinie zum Büro. Zwar musste ich anschließend einige hundert Meter bis zur Arbeitsstelle zu Fuß zurücklegen, aber diesen frühen Kurzspaziergang nahm ich vor Dienstbeginn gerne in Kauf.

Wie immer packte ich im Bus meinen Schmöker aus und begann zu lesen. Diese Auszeit genoss ich besonders. Das Eintauchen in spannende Geschichten oder Krimis sorgte allerdings nicht selten für plötzliche Schrecksekunden in mir, da ich oft nicht wusste, wo sich der Bus gerade befand oder ob ich die letzte Haltestelle nicht schon verpasst hatte.

An diesem besagten Freitag musste ich mich jedoch von meinem liebgewonnenen Morgenritual widerwillig verabschieden. Als ich so tief versunken in meiner spannenden Geschichte saß, forderte mich der Busfahrer am Busbahnhof recht ungehalten auf, auszusteigen.

Vollkommen überrascht fragte ich ihn: „Wieso denn? Sie fahren doch immer bis zur Theaterstraße weiter!“ Seine Antwort ließ allerdings keine Widerworte zu. „Nein, jetzt nicht mehr! Wir haben zu wenig Busfahrer. Hier ist Endstation. Steigen Sie bitte aus!“

Meinen Unmut konnte ich in diesem Moment nicht mehr zurückhalten und konterte: „Ja, geht es noch! Unglaublich!“

Nun war aber meine frühmorgendliche Auszeit total aus dem Ruder geraten. Völlig irritiert packte ich meinen Lesestoff ein und stieg wütend aus. Die passende Bushaltestelle bot sich mir allerdings erst an der nächsten Straßenkreuzung. Verflixt aber auch! Jetzt merkte ich erst, wie eingefahren ich war. Nun ja, es gibt Schlimmeres!

Am folgenden Montagmorgen war ich bereits mit der unfreiwilligen Planänderung vertraut. Den Busfahrer wollte ich natürlich nicht schon wieder verärgern und bemühte mich deshalb schnellstens den Ort des Zwischenstopps zu verlassen.

Mit Entsetzen stellte ich feststellen, dass mein Anschlussbus bereits auf der anderen Straßenseite in den Startlöschern stand. Jetzt aber musste ich mein sportliches Können unter Beweis stellen und versuchte wie „Speedy Roadrunner“ zum Bus zu rennen, damit dieser mir nicht vor der Nase davoneilte.

Ausgerechnet war ich heute bepackt wie auf einer Trekkingtour. In meinem Rucksack weilte meine ganze Wochenration fürs Büro nebst randgefüllter, riesiger Teekanne, in Begleitung einer dick gepackten Beuteltasche. Wie sagte ein Vater immer: „Der beste Rat ist der Vorrat!“ Nur heute hatte meine gut gemeinte Bevorratung noch eine üble Überraschung für mich.

Mein angepeilter Bus hatte es scheinbar doch nicht so eilig, im Gegensatz zu meiner Wenigkeit. Aufgrund der Eile, die sich verständlicherweise in mir ausgebreitet hatte, war mir glatt die Steinumrandung eines Baumes, der sich unmittelbar vor der Buseingangstüre befand, entgangen.

Ja, und so kam es, wie es kommen musste. Mit einem Hechtsprung à la Boris Becker landete ich mit der Hälfte des Korpus im Entrée des Linienbusses. Mein Torax nebst prallgefülltem Rucksack befanden sich spontan im geschützten Innenteil, wohingegen sich meine unteren Extremitäten samt der in Mitleidenschaft gezogenen Beuteltasche im luftigen Außenbereich befanden.

Das war eine echte Glanzleistung von mir und eine sportliche noch dazu.

Die Businsassen waren alle wie versteinert und so verhielten sie sich auch. Lediglich ein kurzer Aufschrei ihrerseits war zu vernehmen, mehr war nicht drin!

Ja, und was den Busfahrer anbetraf, das Verhalten war die „Krönung von Jakobs“. Anstatt mir zu helfen, saß der wie ein aufgepumptes Michelin-Männchen eingepfercht in der Fahrerfront und sagte dann tiefenentspannt mit einladender Handbewegung: „Jetzt kommen se erst mal jaanz langsam reiiin!

Beim Anblick dieses voluminösen Fahrers hätte es selbst ein Faultier nicht mehr auf dem Baum gehalten.

Als ich mich endlich aus meiner Schockstarre gelöst und alle meine Glieder nebst Begleitmaterialen geordnet hatte, begab ich mich schmerzverzerrt in den Bus hinein, setzte mich wie bei ARD und ZDF in die erste Reihe und ließ das Geschehene revuepassieren.
Dieser exorbitante Zwischenfall hatte mir regelrecht die Sprache verschlagen. Der Busfahrer weiß es gar nicht zu schätzen, was ihm durch mein Schweigen alles erspart geblieben ist.

Jedenfalls wurde mir jetzt erst das ganze Ausmaß meines Missgeschicks bewusst. Durch meine gekonnte Einlage hatte ich mir eine saftige Rippenprellung zugezogen, die mich danach wochenlang begleitete.

Das der Autobusfahrer keine Anstalten gemacht hat mir zu helfen, war eine absolute Frechheit, aber wenn ich mir vorstelle, dass dieser sich aus seiner Verankerung gelöst hätte und anschließend wie Obelix mit seinem Hinkelstein auf mich gefallen wäre, dann hätte von mir und meiner Bevorratung wohl nichts mehr zur Verfügung gestanden.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.