Im Alter von drei Jahren konnte ich bereits Fahrradfahren. Zum Erlernen dieser Kunst habe ich, man höre und staune, nicht einmal fremder Hilfe bedurft, ganz im Gegenteil. Das Fahrradfahren brachte ich mir mit einem Minifahrrad „ohne Stützräder“ im Innenhof eines Bauernhofes wirklich selber bei. Trotzdem ich diese Technik längst beherrschte, schenkten mir meine Eltern, warum auch immer, zum fünften Lebensjahr erst einmal einen Tretroller. Scheinbar sollte auch bei einem motorisch früh entwickelten Kind zunächst die Reihenfolge eingehalten werden, also erst Roller und dann Fahrrad. Welchen Sinn und Zweck das Ganze hatte, weiß ich bis heute nicht. Jedenfalls erhielt ich Anno 1965 vom Osterhasen einen großen, türkisfarbenen Trittroller, über den ich mich wie ein Froschkönig freute.
Bei der nächstbesten Gelegenheit fuhr ich in Begleitung meiner Mutter mit meiner neuen Errungenschaft zu unserem Schrebergarten, um endlich mit selbigen durch die Gartenanlage düsen zu können.
Der Roller hatte es allerdings in sich. Besser gesagt, war die Kombination zwischen ihm und mir sehr gewöhnungsbedürftig. Anscheinend war ich diesem Sportteil nicht so recht gewachsen, denn alleine durch seine Bedienung häuften sich bei mir zusehends die Unfälle. Wenn ich diesen Tretroller in Händen hielt, ging bei mir dermaßen das Temperament durch, dass ich in abschüssigen Kurven immer in Turbulenzen geriet und es dem Papst gleichtat, nämlich den Boden küsste. Allerdings mit dem feinen Unterschied, dass der Papst, wer immer es damals sein mochte, darin weitaus geübter war, als meine Wenigkeit.
Jedes Mal, wenn mein Vater mich im Schrebergarten mit diesem Teil herumdüsen sah, hielt er vorsorglich den Verbandskasten bereit, da bei meiner sportlichen Aktivität stets latente Unfallgefahr herrschte. In regelmäßigen Abständen kontrollierte er natürlich diesen Kasten, um sich von dem ordnungsgemäßen Zustand des Inhalts zu vergewissern, so dass im Notfall wirklich auch alle benötigten Utensilien verfügbar waren.
Die alpinen Kurven ging ich grundsätzlich so rasant an, dass ich abrupt bremsen musste, um nicht im Gartenzaun der Nachbarn zu landen. Dank meiner Technik ließ sich zwar dieses Missgeschick vermeiden, jedoch kam ich dabei derart ins Schleudern, dass mein Gefährt und ich prompt zu Boden katapultiert wurden. Nach jedem noch so unprofessionellen Stunt begleiteten mich unweigerlich schmerzhafte Schürfwunden an Händen und Knien. Dank der nötigen Wundverbände hatte nun mein Rennen ein unverzügliches Ende gefunden und meinem Vater die Freude an der geliebten Gartenarbeit nebst der Ernte genommen. Meist trat er nach dieser Heimsuchung voller Sorge unverzüglich die Heimreise an.
Bei Betreten des heimischen Bodens fiel meiner Mutter sofort die betroffene Miene meines Vaters auf, dem unweigerlich der Satz folgte: „Werner, sag nicht, das Kind ist schon wieder gefallen!“ Ich weiß nicht, wie oft meine Mutter diesen Satz in meinen Kindheitstagen hat aussprechen müssen, aber eines steht fest, wenn meine Knie sprechen könnten, kämen über meine verbliebenen Narben eine Menge Geschichten zutage.