Starke Einfälle

Frau Immerfrohs heikler Einkaufstrip

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Eigentlich neigte Lotto Immerfroh eher zur Sparsamkeit und nutze deshalb selten einen ausgiebigen Stadtbummel.
Aber ausgerechnet an einem Freitag den Dreizehnten, war es ihr in den Sinn gekommen, endlich wieder etwas für ihr vernachlässigtes Äußeres zu tun, und dabei ließ es sich nicht vermeiden, sämtliche Einkaufshäuser der City heimzusuchen.

Da sich diese Aktion meistens zeitlich ausdehnte, durfte dabei keine Marschverpflegung fehlen. Ja, und wer Lotte kennt, der weiß, dass ihr nichts mehr am Herzen liegt, als ein herzhaftes Pausenbrot. Allerdings achtete sie mit zunehmendem Alter mehr und mehr auf ihre Gesundheit und dieser konnten heute nur pikante Knoblauchstullen gerecht werden. Immerhin sorgte ein gefüllter Magen beim Einkauf für mehr Geduld und Ausdauer und ermöglichte ihr so, aus den bestehenden Angeboten, einen größeren Nutzen zu ziehen.

Sei es drum, dass es an dem besagten Freitag den Dreizehnten gelegen hat oder der Grund rein in der Natur der Sache lag. Der erste Bus fuhr Lotto Immerfroh glatt vor der Nase weg. Der zweite hätte sie, des vorgeschriebenen Fahrplans wegen, erst gar nicht an den Ort ihres Wunsches befördern können, und der dritte Omnibus war allen Übels hoffnungslos überfüllt. Da passte nicht einmal mehr das Tagesfeuilleton hinein.

Potztausend, was zehrte dies an den Nerven. Kein Wunder, dass Lottes Nährstoffpegel dabei glatt in den Keller gesunken war und sogleich den Genuss zweier Stullen nach sich zog.

Eine weitere Misere ließ allerdings bei diesem Tagesausflug nicht lange auf sich warten, nämlich ihre schwache Blase. Zur absolut unpassendsten Zeit machte sich dieses Wasserorgan grundsätzlich bei all ihren Unternehmungen bemerkbar und erlaubte sich jedes Mal dabei aktiv mitzuwirken. Lotto sah sich demzufolge bereits nach einer Stunde genötigt, im nächstliegenden Kaufhaus die Damentoilette aufzusuchen. Von der Wasserlast glücklich befreit, hieß es nun Hände waschen und dann ab in die City.

Doch plötzlich ertönte aus dem hinteren Refugium des stillen Örtchens ein gellender Schrei der Toilettendame, gefolgt von den übelsten Schimpfwörtern, deren man sich der Sittlichkeit wegen besser nicht bemächtigt.

Jedenfalls wäre in einem Beichtstuhl hierbei jeder Heiligkeit die Schamesröte ins Gesicht gestiegen und der Beichtenden selbst ein Hausverbot erteilt worden, damit das Gotteshaus nicht noch weiteren Heimsuchungen ausgesetzt werden konnte. So viel Weihwasser hätte man just zu diesem Zeitpunkt gar nicht auftreiben können, um den Fluch und die Verwünschung aus dem Bethaus zu verbannen.

Jedenfalls schauten sich alle Anwesenden in der Damentoilette erschrocken an und hatten keine plausible Erklärung für den rustikalen Wutanfall dieser Lokusdame nebst ihrem unkultivierten Sprachgebrauch.

Mehr und mehr kam Lotte der Verdacht, dass wohl sie selbst der Stein des Anstoßes sei, da sich die Klosettdame unablässig über den unsäglichen Gestank der zu reinigenden Toilettenkabine mokierte. „Himmel und Huhn, das Knoblauchbrot“ kam es ihr in den Sinn.

Nun hieß es: „Nichts wie weg und dann untertauchen!“

Obwohl letzteres schon während des Schwimmunterrichts in der Schule nicht zu ihren Stärken zählte, war sie nun gezwungen dies als Trockenübung zu bewerkstelligen. Naja, so schnell hatte man in diesem Kaufhaus wohl noch keinen flüchten sehen.

Während sie nachdachte, wie sie am schnellsten und wohlbehalten den Heimweg antreten konnte, fiel ihr glattweg das Werbeprospekt in die Hand, welches sie unter anderem dazu verleitet hatte, einmal die Stadt aufzusuchen. Da sie aber von unheilvollen Dünsten umgeben war, konnte sie unmöglich in dem Geschäft ihrer Wahl einen längeren Aufenthalt wagen.
Petersilie und Milch zählten nicht gerade zu Lottes ständigen Begleitern, obwohl diese bekanntlich recht wirksam einer Knoblauchfahne entgegenwirken.

Dann aber fasste Lotte sich ein Herz, stopfte notgedrungen eine Sammlung ihrer Pfefferminzbonbons in sich hinein und betrat gezielt das Geschäft ihrer Wahl. Gnadenlos schritt sie auf den Stand des beworbenen Mantels hin, schnappte sich gleich mehrere Farben ihrer Kleidergröße und verschwand, so hoffte sie, unbemerkt in eine der freien Kabinen.

Ja, unbemerkt, davon hatte Lotte scheinbar nur geträumt. Dank ihres penetranten Knoblauchgeruchs hätte selbst ein blinder Maulwurf ihren Umkleideraum finden können.


Die auserwählten Angebote hingen noch nicht ganz am Garderobenhaken, da erkundigte sich bereits eine besorgte Verkäuferin vor ihrer Kabine stehend nach der Zufriedenheit ihrer Auswahl. „Hallo? Sie kommen zurecht? Oder kann ich Ihnen behilflich sein?“

Erwischt! Lotte saß in der Klemme. Da weder Fallklappe noch Schleudersitz sie aus dieser Not befreien konnte, bat sie die Fragende fortan mindestens drei Meter Abstand zu halten, um dieser eine drohende Ohnmacht zu ersparen. Gleichzeitig gelobte sie der Modeberaterin hoch und heilig, es bei der Anprobe der wenigen Habseligkeit zu belassen. In Zeitraffer traf sie ihre Wahl, zahlte wortlos ihre Verbindlichkeiten und verließ in Rekordzeit das Geschäftshaus auf Nimmerwiedersehen. Ihren ersehnten Mantel konnte Lotte Immerfroh trotz dieser Misere freudig in Händen halten.


Sogleich nutzte sie den erstbesten Bus als Fluchtmittel und riss in diesem trotz heftigster Zugluft sämtliche Fenster auf. Im Mitteleingang reservierte sie sich postwendend einen Stehplatz im „FirstClass Bereich“ und betätigte mit geschlagener Regelmäßigkeit den Halteknopf.

Hierdurch wurde der Busfahrer natürlich genötigt jede Station anzufahren und die Bustüren zu öffnen und ungeachtet dessen, ob überhaupt ein Fahrgast gewillt war auszusteigen. Damit konnte Lotte wenigstens die regelmäßige Frischluftzufuhr sicherstellen, denn ihr Erste Hilfe Kursus lag weit über zwanzig Jahres zurück. Es wäre unvorstellbar gewesen, wenn sämtliche Fahrgäste nebst dem Busfahrer ihretwegen ins Koma gefallen wären.

Ja, das wäre aber eine nette Bescherung gewesen!

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