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Plötzlich brach der Winter herein. Natürlich viel früher als gedacht und wie immer völlig unvorbereitet. Da wir mit drei Personen in einer recht kleinen Wohnung lebten, mussten wir einen Teil unserer Bekleidung, und dazu zählten nichts weniger als unsere Winterschuhe und -stiefel, im Keller verstauen. Dies war grundsätzlich kein Problem, da sich unsere Wohngegend gottlob außerhalb des arktischen Polarkreises befand. Nun aber hatte der Winter, wie schon lange nicht mehr, beschlossen einmal so richtig sein Gesicht zu zeigen und mit ihm die dicksten Schneeflocken vom Himmel fallen lassen.
Beim allmorgendlichen Lüften schwebten meiner Mutter bereits ein Duzend nasskalter Flocken ins Gesicht, dem weitere folgten, da sie sich das geöffnete Fenster einfach zunutze machten, um in Windeseile das halbe Schlafzimmer zu belagern. Nicht lange, da war es nicht nur um die weiße Pracht geschehen, sondern auch um die Trockenheit der elterlichen Betten.

In der morgendlichen Eile flitze meine Mutter sodann in den Keller, um meine Winterstiefel ans Tageslicht zu bringen. Schließlich sollte ich bei dem Schneegestöber wenigsten trockenen Fußes die Schule erreichen. Zudem gab es nichts Grässlicheres, als mit eingeweichtem Schuhwerk und nasskalten Socken die Schulbank zu drücken müssen. Alleine bei dem Gedanken lief es mir schon eiskalt den Rücken herunter.
Wie auch immer, an diesem Tag steckte wahrlich die Tücke im Detail. In der Hektik des frühen Morgens hatte meine Mutter geradezu das erste beste Paar Stiefel gegriffen, in dem Glauben, die ihrer Tochter in Händen zu halten. Das sich dies später als einer ihrer grandiosesten Irrtümer ihres bisherigen Lebens herausstellte, sollte sich an diesem besagten Tag noch zeigen.
Schnell übergab meine Mutter mir die Winterstiefel, denn die Uhr hatte es an diesem Morgen scheinbar besonders eilig, und so wurde es langsam Zeit mich auf den Schulweg zu machen. Die Stiefel hatte ich noch nicht ganz angezogen, da brachte meine Mutter bereits Ihre Zweifel zum Ausdruck: „Kind, die sind aber reichlich groß! Bist du sicher, dass das deine Winterstiefel sind? Damit kannst du doch nicht zur Schule gehen!“
Jedem, der in den 60igern geboren wurde, wird es nicht entgangen sein, dass die Eltern teilweise eine recht übertriebene Sparsamkeit an den Tag legten. Daran waren wohl die Restanten der erlebten Kriegsgeschehnisse schuld, die ihnen fortwährend in lebendiger Erinnerung geblieben waren.
Daran hatte ich mich bei meiner Mutter zwischenzeitlich gewöhnt und so glaubte ich, dass sie mir des knappen Geldes wegen, diese größer gekauft hatte, damit ich in einem gebührenden Zeitraum dort hineinwachsen konnte. „Nein“, sagte ich „Mami, die Stiefel hast du mir doch größer gekauft!“ Meine Mutter schaute mich immer noch skeptisch an und holte postwendend zwei Paar dicke Wollsocken, damit ich in diesen wenigstens etwas Halt finden konnte. „Damit kann ich aber jetzt zur Schule gehen. Ich muss weg!“ reagierte ich leicht genervt, da meine Mutter im Begriff war, mir noch ein drittes Paar Socken zu holen. . . . .

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